Und täglich weckt das Murmeltier

Und täglich weckt das Murmeltier
natürlich nicht schon um halb vier,
das ist ja viel zu früh; es reicht um acht,
dann war sie lang genug, die Nacht!

Lebt man in einer großen Stadt,
bekommt man viele Tiere nicht zu sehen;
und hätte wirklich sich mal eins verirrt,
dann bliebe man wohl auch nicht stehen.

Die Hektik läßt nicht zu, mal zu verweilen.
Ständig muß der Großstadtmensch sich eilen.
Macht er Urlaub im Gebirge, kann’s geschehen,
er bekommt die Murmeltiere dort zu sehen.

Natürlich wird es ihm sehr schwer gelingen,
ein Murmeltier nachhause mitzubringen.
Was sollte es hier auch, das arme Tier.
Soll es ihn immer wecken um halb vier?

Jeden Abend um die gleiche Stunde
drehen Hundehalter ihre Standardrunde.
Katzen gehen gern allein spazieren,
die braucht man an der Leine nicht zu führen.

Auch Vögel hau’n mitunter ab, was sagste nu!
Die Tür vom Käfig war nicht richtig zu.
So ein Murmeltier wär‘ völlig fehl am Platze.
Es würd’ sich nicht vertragen mit ‘ner Katze.

Und ganz bestimmt wär‘ auch ein Hund
für’s Murmeltier nicht sehr gesund.
Deshalb sollte man’s lassen, wo es hingehört.
Hier hätt’ es Heimweh und würd’ auch verstört

mit einer Macke bald behaftet sein; Neurose,
Melancholie, möglicherweise noch Psychose –
Ach nein, das tun wir ihm nicht an, dem Kleinen.
(Ich weiß zwar nicht, ob Murmeltiere weinen).

Es würde wohl sehr traurig sein, das Murmeltier.
Drum bleibt es lieber wo es ist. Wir bleiben hier.
Vermißt man ganz schrecklich bestimmte Arten,
geht man ja besser in den Zoologischen Garten.

Die haben die tollsten Viecher dort drinnen.
Sogar Riesenschlangen und Vogelspinnen.
So zuverlässig aber weckt dich mit Geläute nur
die ordentlich aufgezogene kleine Weckeruhr.

Und jeden Morgen um halb viere
weckt bereits das Murmeltier
alle anderen Murmeltiere,
aber jedenfalls nicht hier..

Über hildegardlewi

... ist 1934 in Berlin geboren und sozusagen „Geprüfte Berlinerin“. Vorkriegsjahre, Kriegsjahre, Blockade, Nachkriegsjahre, die Zeit der Mauer und die Zeit nach ihrem Fall. Lange Berufsjahre, drei Kinder, drei Enkelkinder, die Begegnungen mit vielen unterschiedlichen Menschen und schließlich die Wiedervereinigung, das sind viele ernste – und weniger ernste Geschichten. Manche Leute führen ein Tagebuch. Ihr Tagebuch sind Gedichte. Die ihr spontan aus dem Kopf über die Lippen purzeln und die sie dann schnell einfängt und aufschreibt. Nachdenkliche, sicher, die meisten aber sind zum Lachen. Wie sonst könnte man dies schrecklich schöne Leben aushalten? Viel Vergnügen
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