Aus der Moritatensammlung – Der versäumte Kuß

Der versäumte Kuß

Emil war in Ziegelträger,
außerdem noch Schürzenjäger
und trank öfter Steinehäger
übern Durst.

Emma war ein sanftes Wesen
und verkaufte außer Käsen,
Eiern, Flundern, Mayonnaisen,
auch noch Wurst.

Wegen dieser Qualitäten
tat ihr Emil nähertreten
und hat sich von ihr erbeten
einen Kuß!

Und er konnte so charmieren,
daß ihn doch nach langem Zieren
Emma hoffen läßt auf ihren
Ladenschluß.

Doch kaum sind die Läden runter,
lacht er Emma aus, frißt Flunder,
ind dann treibt er‘s noch viel bunter.
will das Geld!

Emma, so von ihm belogen
und um ihren Kuß betrogen,
hat den Schlüssel abgezogen
wie ein Held!

Hat sogar als Emil grollte
und durchaus den Schlüssel wollte,
der die Kasse öffnen sollte,
den verschluckt!

Emil, starr erst ob der Schläue,
würgt sie und sieht ohne Reue,
wie sie bald in ihrer Bläue
nicht mehr muckt.

Und er schnitt mit einer Feile
ohne sonderliche Eile
seine Emma in zwei Teile,
so ein Schuft!

Doch das Sägen an den Knochen
läßt zwei Schupos draußen pochen,
„Wird hier etwa eingebrochen-?“
Dicke Luft!

Schon sieht man den Türstock wackeln.
dringen, ohne lang zu fackeln –
oh, wie Emils Knie da wackeln –
sie doch ein.

Ihre Dienstrevolver funkeln –
Emil flieht und fällt im Dunkeln
in ein großes Faß mit Runkeln –
Rübensirupsaft hinein.

Zwar der Obrigkeit verborgen
blieb er so, doch als am Morgen
Kunden Sirupsaft besorgen,
ward sein Leichnam allgemein

nicht bedauert, nein, verachtet:
Wer nach fremden Geld getrachtet
und sein Mädchen schwarzgeschlachtet
kann kein guter Mensch nicht sein!

Die Moritat lebt auf zweierlei Art weiter:,einmal durch die
unmittelbare Wiederaufnahme der Moritatenform und des
Moritatentons als Kunstmittel und zum zweiten als indirekte
Nachfolge, das heißt durch die Übernahme ihrer wesentlichen
Elemente.

„Der versäumte Kuß“ stammt aus der Feder von Ernst Klotz

Über hildegardlewi

... ist 1934 in Berlin geboren und sozusagen „Geprüfte Berlinerin“. Vorkriegsjahre, Kriegsjahre, Blockade, Nachkriegsjahre, die Zeit der Mauer und die Zeit nach ihrem Fall. Lange Berufsjahre, drei Kinder, drei Enkelkinder, die Begegnungen mit vielen unterschiedlichen Menschen und schließlich die Wiedervereinigung, das sind viele ernste – und weniger ernste Geschichten. Manche Leute führen ein Tagebuch. Ihr Tagebuch sind Gedichte. Die ihr spontan aus dem Kopf über die Lippen purzeln und die sie dann schnell einfängt und aufschreibt. Nachdenkliche, sicher, die meisten aber sind zum Lachen. Wie sonst könnte man dies schrecklich schöne Leben aushalten? Viel Vergnügen
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